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Raytheon-Manager Wes Kremer

Berlin, 09.11.2011

Raytheon – Rotierende Raketenabwehr

In der US-amerikanischen Rüstungsindustrie wächst offenbar die Erkenntnis, dass einzelne europäische Nationalstaaten keinen relevanten Absatzmarkt mehr darstellen. „Wir verstehen absolut die finanzielle Situation und dass die europäische Industrie Aufträge erhalten soll“, so Wes Kremer, Vizepräsident Raytheon Air and Missile Defense Systems, auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin.

Allerdings wachse die Bedrohung auch Europas durch ballistische Flugkörper weiterhin, so Kremer. Sobald beispielsweise der Iran Raketentechnologie mit einer Reichweite von 3.000 Kilometern entwickelt haben werde, lägen auch Ost- und Süddeutschland im Zielspektrum. Bisherige Abwehrsysteme wie Patriot seien nur gegen Kurzstreckenwaffen ausgerichtet. Auch das umstrittene amerikanisch-deutsch-italienische MEADS-Programm ist inzwischen gestrichen worden.

Die Flugbahn nuklearer Mittelstreckenwaffen liegt großteils außerhalb der Atmosphäre. Das mache die Bekämpfung schwierig und erfordere frühzeitigeres Eingreifen, so Raytheon-Manager Wes Kremer. (Fotos: Klaus Dombrowsky)


Der US-Konzern schlägt stattdessen einen seegestützten Abwehrverbund vor, der mobil und flexibel sei. Damit ließen sich sowohl heimische Städte als auch Truppen im Auslandseinsatz schützen, so Wes Kremer. Die EU verfüge über insgesamt 25 Marineeinheiten – insbesondere moderne Fregatten – die dafür geeignet seien. Trotz einer solchen zusätzlichen Aufgabe könnten sie ihre Mehrzweckfähigkeiten vollständig aufrecht erhalten. Die Europäer könnten somit einen verschiebbaren Pool für einen Schutzschirm beschaffen: „Better prices with larger quantities“, warb Kremer, zumal die wesentlichen Entwicklungskosten bereits geleistet seien.

Die USA und Japan hätten jeweils etwa eine Milliarde Dollar in die künftige Version II A des Sprengkopfes für die „Standard Missile 3“ investiert. Dabei handelt es sich um schiffsbasierte Boden-Luft-Lenkwaffen mittlerer bis hoher Reichweite. Die Hälfte der Entwicklung sei bereits abgeschlossen und dann ein voll funktionsfähiges System erhältlich, so Kremer. Alle sonst benötigten Komponenten seien in Europa in hervorragender Qualität verfügbar. Kremer zufolge sind damit bislang 19 erfolgreiche Raketenabwehrversuche durchgeführt worden. Auf Nachfrage räumt der US-Industrielle auch vier Fehlschläge ein, was freilich eine sehr hohe Erfolgsquote bedeuten würde. Unter Regie der Missile Defense Agency soll die in und um Europa stationierte Raketenabwehr bis 2018 in drei Stufen aufgebaut werden. Kernstück ist die von Raytheon entwickelte X-Band Radar-Technologie zur Erfassung und Verfolgung angreifender Flugkörper. (kö)

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