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Dr. Anna Mrozek, Wissenschaftlerin von der Universität Leipzig: „Der Grenzschutz ist eine originär nationalstaatliche Aufgabe."

Berlin, 27.02.2014

FRONTEX unter Beschuss – Die maritimen Außengrenzen der EU

Einig sind sich die Podiumsvertreter, dass Deutschland insgesamt mit der Flüchtlingsfrage zurechtkommen kann. Auf lokaler Ebene gebe es jedoch Schwierigkeiten. Man dürfe die Kommunalpolitiker nicht alleine lassen, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Heinz-Joachim Barchmann. Ein Hilfsprogramm des Bundes sei in der Diskussion: „Was dabei rauskommt, kann ich nicht sagen.“ Unklar ist natürlich, wie dies rechtskonform gestaltet werden könnte. Um die prekäre und oft lebensgefährliche Lage von Menschen, die versuchen irregulär in die EU einzuwandern, sowie die Rolle der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX geht es im Berliner „Europäischen Haus“ am Brandenburger Tor. Eingeladen hat das europapolitische Informationsportal EURACTIV.

Im Jahr 2013 seien bei 683 Operationen 37.000 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet worden, betont Gil Arias, der stellvertretende Direktor von FRONTEX. Schlichte Grenzkontrollen seien allein aber kein zureichendes Mittel, um mit Migrationsdruck umzugehen. Der spanische Polizist fordert ergänzende Maßnahmen. Die Agentur selbst habe vor allem eine koordinierende und unterstützende Rolle. Der vielfachen Kritik an unhaltbaren Zuständen und Übergriffen durch Sicherheitskräfte begegnet er mit dem Hinweis, dass dafür die beteiligten Nationalstaaten verantwortlich seien. FRONTEX selbst habe kaum eigene Ressourcen.

In Nordafrika könne man von 80 bis 90 Prozent Jugendarbeitslosigkeit ausgehen, schätzt der SPD-Parlamentarier Barchmann. Die Not der Menschen sei groß, für Deutschland fordert er größere Einwanderungskontingente. Auch in der Türkei hätten sich Schleuserbanden gebildet, EU-Mitglieder wie das ohnehin marode Griechenland seien mit der Situation „ohne funktionierende Verwaltungsstrukturen völlig überfordert“. Die linke Europaparlamentarierin Dr. Cornelia Ernst spricht von 1,2 Millionen Asylbewerbern in einem Staat von 11 Millionen Einwohnern. Die meisten Experten rechnen immerhin mit einigen Hunderttausend.

Die sächsische EU-Abgeordnete Cornelia Ernst kritisiert die Asylpolitik der EU als moralisch und im Ergebnis gescheitert. Zum Schutz der „Festung Europa“ seien bis 2020 ca. zwei Milliarden Euro vorgesehen, in den vergangenen Jahrzehnten habe es bis zu 19.000 Tote an den Außengrenzen gegeben. Letzteres ist naturgemäß insbesondere auf dem 2,5 Millionen Quadratkilometer umfassenden Mittelmeer nicht verifizierbar.

Seit 2003 regelt die „Dublin-II-Verordnung“ die Migrationspolitik der EU. Dort steht, dass der Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig ist, in dem dieser den Boden der Gemeinschaft betreten hat. Seit vielen Monaten kampieren hunderte Schwarzafrikaner und Araber auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Stadt und Bezirk haben noch keine Strategie gefunden, damit umzugehen. Etwa 30 Flüchtlinge und linksradikale Aktivisten haben sich daher bei der Veranstaltung eingefunden und kommen ausgiebig zu Wort. Die Diskutanten um Moderator Ewald König, den Chefredakteur von EURACTIV, werden dennoch fortlaufend als Mörder und Faschisten beschimpft. König und FRONTEX-Vize Arias bleiben gelassen.


Tumult im Europäischen Haus: Irreguläre Einwanderer und hiesige Unterstützer bringen die Diskussion über die maritimen Grenzen der EU fast zum Abbruch.


Besonders stören sich die irregulären Einwanderer daran, dass sie in Deutschland keine Freizügigkeit genießen: „Wir wollen wissen, warum Ihr uns alle hasst?“, fragt ein Wortführer. Die „Residenzpflicht“ habe aber mit den Außengrenzen der EU und FRONTEX überhaupt nichts zu tun, kommentiert das Dr. Anna Mrozek, Wissenschaftlerin von der Universität Leipzig. Sie persönlich sehe sie freilich als nicht verhältnismäßig an. Der Grenzschutz sei allerdings eine originär nationalstaatliche Aufgabe, konstitutiv für Souveränität: „Denkt Ihr, dass es ohne FRONTEX anders wäre? Es wäre möglicherweise noch schlimmer...“. (kö)

>>> weitere Informationen www.euractiv.de