Das Magazin für Innere und Äußere Sicherheit, Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Kritische Infrastrukturen
Home

Köln, 09.04.2015

Verfassungsschutz: Vorsicht bei China-Aufenthalten geboten

Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste waren in den letzten Jahren unter anderem im Bereich der Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage festzustellen. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Volksrepublik China zu einem „global player“ gewinnt nunmehr auch die politische Spionage an Bedeutung.

Chinesische Nachrichtendienste sind an sensiblen politischen Informationen über die Bundesrepublik Deutschland, die Europäische Union (EU) und die NATO interessiert. Um an solche Informationen zu gelangen, versuchen sie, westliche Staatsangehörige, die in entsprechenden politischen Einrichtungen tätig sind oder in Zukunft tätig sein werden, anzuwerben. Dies betrifft auch deutsche Staatsangehörige, die in China leben und arbeiten. Hauptakteur bei diesen Anwerbeversuchen ist das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security – MSS) – ein ziviler Nachrichtendienst, der mit seinen regionalen Ablegern sowohl im Inland als auch im Ausland aktiv ist.

Die Nachrichtendienste überwachen ausländische Studenten sowie Institutionen, die in ihrem Land ansässig sind und fallen dabei nicht selten durch Willkür und Verstöße gegen Menschen- und Bürgerrechte auf. Neben Studenten bilden auch Wissenschaftler, die an einschlägigen Instituten arbeiten, eine Zielgruppe für chinesische Nachrichtendienste.

Das folgende Beispiel soll die typische Vorgehensweise eines chinesischen Nachrichtendienstes bei der Anwerbung von Zielpersonen veranschaulichen. Das Beispiel ist zwar fiktiv, orientiert sich jedoch an tatsächlichen Fällen:

Zunächst versuchen Mitarbeiter eines chinesischen Dienstes, einen Erstkontakt zur Zielperson aufzubauen. Dieser könnte beispielsweise derart entstehen: Eine deutsche Studentin, die an einer Universität in Deutschland einen Bachelor in Politikwissenschaften und Sinologie absolviert hat, wird bei der Fortsetzung ihres Studiums in Peking von einem vorgeblichen Mitarbeiter eines dortigen Forschungsinstituts gebeten, einen Artikel über die deutsche China-Politik zu verfassen. Hierfür erhält sie einen kleineren Geldbetrag. Aus diesem Erstkontakt entwickelt sich in den nächsten Monaten ein freundschaftlicher Kontakt. Schließlich wird die Studentin einer Mitarbeiterin des Pekinger Amtes für Staatssicherheit vorgestellt, die ihr gegenüber ein Interesse an sensiblen politischen Informationen offenbart und ihr vorschlägt, sich nach Abschluss ihres Studiums für eine berufliche Tätigkeit im Europäischen Rat zu bewerben. Dafür zahlt sie der Studentin eine „Unterhaltshilfe“ in Höhe von mehreren Tausend Euro. Diese geht auf das Anliegen ein, bewirbt sich nach ihrem China-Aufenthalt tatsächlich beim Europäischen Rat und erhält hierfür bei einem weiteren Peking-Besuch eine Summe von 30.000 Euro. Bei der Sicherheitsüberprüfung für die neue Arbeitsstelle werden allerdings Unstimmigkeiten auffällig, die zur Aufdeckung ihrer Aktivitäten für den chinesischen Geheimdienst und einer gerichtlichen Aufarbeitung des Falles führen.

Für einen Anwerbungsversuch spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. So sind für die chinesischen Nachrichtendienste gute Sprachkenntnisse, ein längerer Aufenthalt in China und eine berufliche Tätigkeit im Bereich Politik oder Diplomatie sowie ein Studium der Politikwissenschaften oder der Internationalen Beziehungen von Interesse. Auch eine Verbindung zu regimekritischen Organisationen oder NGO’s beziehungsweise zu den nach Unabhängigkeit strebenden Tibetern oder Uiguren kann die Dienste aufmerksam machen.

In der Regel erfolgt die Ansprache einer Zielperson in China. Wie im Beispielfall geschildert, treten die Nachrichtendienstmitarbeiter unter Legende auf und schlagen zunächst eine Mitarbeit, beispielsweise in einem Forschungsprojekt, vor. Nachdem sich eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hat, werden konkrete Aufträge erteilt, die mit einer entsprechenden Entlohnung einhergehen. Zu diesem Zeitpunkt kann sich die Zielperson bereits in einem Dilemma befinden: Möglicherweise fühlt sie sich ob der etablierten Beziehung emotional verpflichtet, nun auch eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit einzugehen. Die Zielperson kann aber auch die Sorge beschleichen, schon im Rahmen der „freundschaftlichen“ Beziehung zu viel preisgegeben zu haben. Insofern muss auch daraufhingewiesen werden, dass fremde Nachrichtendienste mitunter gezielt nach kompromittierenden Ansatzmöglichkeiten suchen, um Zielpersonen zu einer Mitarbeit zu drängen.

Im Falle eines Anwerbungsversuchs durch einen chinesischen Nachrichtendienst sollte deshalb umgehend die deutsche Botschaft beziehungsweise das nächstgelegene Generalkonsulat benachrichtigt werden. Bei der Rückkehr nach Deutschland sollten die zuständigen Stellen (Arbeitgeber, Studienstiftung o.?ä.) oder das Bundesamt für Verfassungsschutz über den Sachverhalt informiert werden. Bei einer Ansprache durch eine unbekannte Person ist es ratsam, deren Identität und beruflichen Hintergrund zu überprüfen. Sollte dies nicht möglich und zudem der weitere Kontakt mit der Person unvermeidbar sein, ist auf eine Weitergabe detaillierter Informationen zu verzichten.