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Brüssel, 27.04.2016

Europäische Sicherheitsagenda: Auf dem Weg zu einer Sicherheitsunion

Die Europäische Kommission zeigt auf, wie eine effiziente, echte EU-Sicherheitsunion erreicht werden kann – auf der Grundlage der am 28. April 2015 vorgelegten Europäischen Sicherheitsagenda. Für die Sicherheit sind zwar in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich; ohne ein gemeinsames Konzept auf EU-Ebene können länderübergreifende Bedrohungen wie der Terrorismus jedoch nicht effizient angegangen werden.

Auf europäischer Ebene werden die erforderlichen Instrumente, Infrastrukturen und Rahmenbedingungen geschaffen, damit die nationalen Behörden effizient zusammenarbeiten und auf gemeinsame Bedrohungen reagieren können. Die Sicherheitsunion kann ihren vollen Wert jedoch nur entfalten, wenn dieser Rahmen entsprechend genutzt wird, um organisatorische Schlupflöcher und Informationslücken zu schließen. Dazu muss sich einiges ändern – auf Ebene der Mitgliedstaaten und ihrer Strafverfolgungsbehörden, die eng mit den EU-Agenturen zusammenarbeiten müssen.

Der Erste Vizepräsident Frans Timmermans erklärte dazu: "Terrorismus kennt keine Grenzen. Die Zuständigkeit für die innere Sicherheit liegt bei den nationalen Behörden. Diese müssen allerdings nahtlos zusammenarbeiten können, um Terrorismus zu verhindern und Täter aufzuspüren. Den geeigneten Rahmen und die Instrumente dafür kann und muss die EU bereitstellen, der entscheidende Unterschied wird jedoch sein, wie die Mitgliedstaaten diese Instrumente nutzen. Die Strafverfolgungsbehörden in all unseren Mitgliedstaaten sollten sowohl europäisch denken als auch europäisch handeln, da die innere Sicherheit eine gemeinsame Verantwortung ist."  

Der für Migration, Inneres und Bürgerschaft zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos  ergänzte: "Die Europäische Union soll ihren Bürgerinnen und Bürgern einen grenzenlosen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bieten. Die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats ist die innere Sicherheit aller Mitgliedstaaten. Fehlendes Gemeinschaftsdenken macht uns angreifbar. Terroristen und Straftäter nutzen dies eiskalt aus, wie die jüngsten Terroranschläge in mehreren Mitgliedstaaten gezeigt haben. Wir müssen das Gemeinwohl über Einzelinteressen stellen und unsere Zusagen in die Tat umsetzen, um eine echte EU-Sicherheitsunion zu erreichen."  

In einer Sicherheitsunion sollten die Polizeikräfte in einem Mitgliedstaat den Reflex haben, entscheidende Informationen mit ihren Kollegen in anderen Mitgliedstaaten auszutauschen. Die heute von der Kommission angenommene Mitteilung enthält eine Bestandsaufnahme der Fortschritte im Rahmen der Europäischen Sicherheitsagenda, ermittelt die noch bestehenden Lücken bei der Terrorismusbekämpfung und nennt die zur Schließung dieser Lücken erforderlichen Maßnahmen. In der Mitteilung werden einige prioritäre Bereiche bei der Terrorismusbekämpfung aufgezeigt, in denen die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen angenommen und umgesetzt werden müssen und weitere Maßnahmen erforderlich sind. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die kollektive Kapazität zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung zu verbessern:

Gegen die Bedrohung durch zurückkehrende terroristische Kämpfer vorgehen: Die nationalen Behörden müssen über die Ein- und Ausreisebewegungen ausländischer terroristischer Kämpfer umfassend informiert sein und diese Informationen sowohl untereinander als auch mit den EU-Agenturen über das Schengener Informationssystem und das Zentrum zur Terrorismusbekämpfung von Europol austauschen.
Radikalisierung verhindern und bekämpfen: Die Verhinderung der Radikalisierung sowie der Anwerbung europäischer Bürgerinnen und Bürger durch terroristische Vereinigungen muss Priorität genießen. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass bereits radikalisierte Personen an Deradikalisierungsprogrammen teilnehmen und von der Verbreitung von terroristischer Propaganda und Hassreden abgehalten werden und dass Informationen über Personen mit hohem Radikalisierungsrisiko proaktiv ausgetauscht werden.
Terroristen und ihre Unterstützer bestrafen: Das Europäische Parlament und der Rat sollten rasch eine Einigung über den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung  erzielen, damit Vergehen mit terroristischem Hintergrund wie Reisen zu terroristischen Zwecken und die Unterbringung, der Transport, oder die materielle Unterstützung  von Terroristen stärker unter Strafe gestellt werden können.
Den Informationsaustausch verbessern: Das Europäische Parlament und der Rat sollten rasch die geänderte Europol-Verordnung verabschieden und die von der Kommission vorgelegten Gesetzgebungsvorschläge zur Verbesserung des Informationsaustausches und der Interoperabilität von Datenbanken und Informationssystemen annehmen, beispielsweise die Ausweitung des Europäischen Strafregisterinformationssystems ECRIS auf Nicht-EU-Bürger.
Stärkung des Europäischen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung: Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung sollte gestärkt werden, damit es als zentrale Informationsplattform der Strafverfolgungsbehörden für Bedrohungsanalysen fungieren und die Erarbeitung von operativen Plänen zur Terrorismusbekämpfung unterstützen kann. Die Kommission wird Initiativen vorschlagen, mit denen das Zentrum zu einer stärkeren Struktur mit der Kapazität zur gemeinsamen operativen Planung, Bedrohungsanalyse und koordinierten Strafverfolgung ausgebaut werden soll. Die gemeinsame Bedrohungsanalyse im Bereich Terrorismus und Radikalisierung sollte bereits jetzt mit höchster Dringlichkeit entwickelt werden.
Terroristen den Zugang zu Feuerwaffen und Sprengstoffen verwehren: Die Mitgliedstaaten sollten dringend den Aktionsplan über Feuerwaffen und Sprengstoffe  umsetzen, und das Europäische Parlament und der Rat sollten den Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen  annehmen, den die Kommission am Mittwoch, 18. November 2015 vorgelegt hat.
Terroristen den Zugang zu Finanzmitteln verwehren:  Die Kommission wird den Aktionsplan zur Intensivierung der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung  umsetzen, um die Mitgliedstaaten bei der Aufdeckung und Verhinderung von Geldbewegungen und der Verschiebung anderer Vermögenswerte zu unterstützen und terroristische Vereinigungen von ihren Finanzierungsquellen abzuschneiden.
Bürger und kritische Infrastrukturen schützen: Strafverfolgungsbehörden und andere entscheidende Behörden müssen besser auf Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit der Anfälligkeit kritischer Infrastrukturen vorbereitet sein, den effizienten Austausch wichtiger Informationen gewährleisten, präventive Maßnahmen koordiniert und grenzübergreifend planen und die Erforschung zukünftiger technologischer Erfordernisse und Kapazitäten unterstützen.
Die Außendimension: Die Kohärenz zwischen inneren und äußeren Maßnahmen im Sicherheitsbereich muss gestärkt werden. Gestützt auf die Arbeit des EU-Koordinators für Terrorismusbekämpfung, der Kommission und des EAD sollte die EU Anti-Terror-Partnerschaften mit den Ländern rund um das Mittelmeer in die Wege leiten.

Hintergrund

Die Europäische Kommission hat am 28. April 2015 die Europäische Sicherheitsagenda  angenommen, in der die wichtigsten Maßnahmen zur Gewährleistung einer schlagkräftigen Antwort der EU auf Terrorismus und Sicherheitsbedrohungen in der Europäischen Union im Zeitraum 2015-2020 dargelegt werden. Mit der Agenda wird eine Zusage aus den Politischen Leitlinien  von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingelöst. Sie ist ein wichtiger Baustein der erneuerten Strategie der inneren Sicherheit, die der Rat am 16. Juni 2015 angenommen hat.

Seit Annahme der Agenda sind große Fortschritte bei ihrer Umsetzung gemacht worden. Die wichtigsten Aspekte wurden durch die Aktionspläne Feuerwaffen und Sprengstoffe  (Dezember 2015) und Intensivierung der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung  (Februar 2016) sowie die Mitteilung Solidere und intelligentere Informationssysteme für das Grenzmanagement und mehr Sicherheit  vom 6. April verstärkt.

Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, dass wir härter vorgehen und die Umsetzung der konkreten Maßnahmen aus der Agenda beschleunigen müssen. Nach den Anschlägen in Brüssel bekundeten das Europäische Parlament, die EU-Minister für Justiz und Inneres und die Kommission ihre Entschlossenheit, die Umsetzung der geplanten Maßnahmen voranzutreiben und die Bekämpfung des Terrorismus zu verschärfen. Die heute angenommene Mitteilung zieht ein Jahr nach Vorlage der Agenda eine Bilanz der Fortschritte bei der Umsetzung im Hinblick auf den Beitrag der EU zu den nationalen Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen.

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