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Knapp 100 Seiten: Hans-Peter Bartels präsentiert den Jahresbericht 2016. (Foto: Bundeswehr/Thiel)

Berlin, 25.01.2017

Wehrbeauftragter stellt Jahresbericht 2016 vor - Bundeswehr ist nur bedingt einsatzbereit

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, hat seinen Jahresbericht 2016 veröffentlicht. Er fordert mehr Tempo beim Erreichen der personellen und materiellen Vollausstattung der Bundeswehr. Der Bundesvorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbands, Oberstleutnant André Wüstner sieht demnach eine nach wie vor nur bedingt einsatzbereite Bundeswehr.

„Heute kann ich feststellen, die Trendwende ist politisch beschlossen: beim Personal, beim Material, beim Haushalt. Das ist gut.“, sagt Bartels bei der Präsentation des 58. Jahresberichts eines Wehrbeauftragten. „Aber“, schränkt er ein, es gehe alles zu langsam.

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„Heute kann ich feststellen, die Trendwende ist politisch beschlossen: beim Personal, beim Material, beim Haushalt. Das ist gut.“, sagt Bartels bei der Präsentation des 58. Jahresberichts eines Wehrbeauftragten. „Aber“, schränkt er ein, es gehe alles zu langsam.

„Mentalitäts-Trendwende“
So habe die Truppe mit einem rasanten Wachstum der Aufträge zu kämpfen und diese Überlast „ist jetzt da, heute“. Bartels kritisiert nicht die Aufträge, wie zum Beispiel die Intensivierung der VN-Mission in Mali oder das NATO-Engagement im Baltikum bei Enhanced Forward Presence. „Nichts davon ist falsch, aber es ist viel.“ Er sieht, dass das Verteidigungsministerium mit dem Umsteuern begonnen hat, mahnt aber: „Die Bundeswehr braucht eine Beschleunigungs-Initiative für alle Trendwende-Projekte.“

Bartels weist darauf hin, dass die Abläufe und Verfahren nun angepasst werden müssten.„Ich glaube, es könnte sein, dass wir zu den beschlossenen Trendwenden noch eine Art Mentalitäts-Trendwende brauchen“, so der Wehrbeauftragte.

2016 war das „Wendejahr“
In seinem letzten Jahresbericht forderte Bartels mit Blick auf die Verteidigungsausgaben,„2016 kann und sollte das Wendejahr für die Bundeswehr werden“. Und tatsächlich hat die Bundeswehr nach Abschlussberechnungen des Finanzministeriums im Jahr 2016 insgesamt 35,1 Milliarden Euro für Personal, Material und den Erhalt der Infrastruktur ausgegeben. Es konnten sogar rund 850 Millionen Euro mehr investiert werden, als ursprünglich für das Haushaltsjahr veranschlagt waren.

Dieser positive Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen: Der Haushalt für 2017 steigt auf rund 37 Milliarden Euro und damit um weitere acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach den derzeitigen Planungen soll der Verteidigungsetat bis 2020 auf rund 39,2 Milliarden Euro ansteigen. Bartels begrüßt den Zuwachs in seinem Bericht, fordert aber mehr Mittel für eine „nachhaltige“ Trendwende Haushalt.

DBwV: Bundeswehr ist nur bedingt einsatzbereit – was muss noch passieren?
Zum heute vorgestellten Jahresbericht des Wehrbeauftragten erklärt der Bundesvorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbands, Oberstleutnant André Wüstner:

„Der neue Bericht des Wehrbeauftragten ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten: Schonungslos und tiefgründig wie selten zuvor beschreibt er die Herausforderung einer nach wie vor nur bedingt einsatzbereiten Bundeswehr. In Übereinstimmung mit dem DBwV sagt Hans-Peter Bartels, worauf es jetzt ankommt: Beschleunigung in punkto Trendwenden Material und Personal einerseits und andererseits einen Bewusstseinswandel innerhalb der Bundesregierung, um schnellstens Lösungen für die Probleme zu entwickeln, die seit zwei Jahren beschrieben und anerkannt sind!“

Alarmierend sei, dass sich die Zahl der Eingaben erneut erhöht habe und 2016 die zweithöchste Vorgangsquote im Amt des Wehrbeauftragten seit 1959 zu verzeichnen sei. Wüstner: „Das zeigt, wie prekär die innere Lage der Bundeswehr aufgrund der fehlerhaften Reform der letzten Legislaturperioden tatsächlich ist. Die Menschen der Bundeswehr leisten nach wie vor einen hervorragenden Dienst. Doch sie zweifeln am Willen der Politik, tatsächlich die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wieder herzustellen. Noch immer werden die Trendwenden in der Truppe nicht spürbar.“

Es stehe außer Frage, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen richtige Weichenstellungen für eine Stärkung der Bundeswehr vollzogen habe, so Wüstner. „Angesichts der sicherheitspolitischen Lage und der Stimmung in der Truppe ist das Tempo der Veränderungen allerdings absolut unzureichend. Das muss viel schneller gehen!“

Anstatt zu beschreiben, warum etwas nicht geht, müssten jetzt Ressort übergreifend Lösungen erarbeitet werden. „Das betrifft Beschaffungsvorhaben genauso wie Infrastrukturmaßnahmen oder das Gewinnen und Binden von Personal. Es hilft beispielsweise die beste Personalstrategie des BMVg nichts, wenn die anderen Ressorts deren Umsetzung nicht unterstützen.“

Der vom BMVg eingeschlagene Weg der Transparenz müsse auch im Wahljahr weiterhin beschritten werden. Wüstner: „Es muss beispielsweise schonungslos offengelegt werden, wie es um die Einsatzbereitschaft als Ganzes steht. Gegebenenfalls müssen sogar neue Wege in der Beschaffung gegangen werden.“

„Gerade weil es aktuell auch um die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands in Europa und der Welt geht, weil die neue US-Regierung stärker als je zuvor eine andere Lastenteilung in der Nato einfordert, fragen sich die Menschen in der Bundeswehr: Was muss noch alles passieren, bis Politik endlich versteht, dass wir schnellstens wieder die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erlangen müssen? Dass alle verstehen, dass der Verteidigungshaushalt 2018 im Verhältnis zum BIP nicht wieder sinken darf, sondern mindestens gleich bleibt oder besser noch weiter steigt?“

Abschließend stellt Wüstner fest: „Für die Klarheit des Berichts, die hoffentlich zu einem Problem- und Lösungsbewusstsein der gesamten Bundesregierung führt, können unsere Parlamentarier sowie alle Staatsbürger nur dankbar sein. Der DBwV jedenfalls ist es.“

Der Wehrbeauftragte
Insgesamt 4.560 Vorgänge mit 3.197 persönlichen Eingaben wurden im Berichtszeitraum 2016 erfasst. Jeder Soldat kann sich direkt mit Beschwerden, Vorschlägen und anderen Anliegen an den Wehrbeauftragten wenden. Er schützt so die Rechte der Soldaten und ist zugleich ein Ausdruck der Kontrolle der Bundeswehr durch das Parlament.

Bartels ist seit dem 20. Mai 2015 der zwölfte Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Der Wehrbeauftragte wird für fünf Jahre gewählt und sein Jahresbericht im Bundestag debattiert. Außerdem nimmt das Verteidigungsministerium schriftlich Stellung dazu. Die Stellungnahme wird dem Parlament zugeleitet und hier veröffentlicht.

>>> Downloadlink zum Jahresbericht

(Quelle: Bundeswehr/DBwV)