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Bild © Daimler Benz

Berlin, 31.03.2017

Bundestag macht Weg frei für automatisiertes Fahren

Der Bundestag hat Regelungen zum Fahren von Autos mit hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion verabschiedet. Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD stimmten einem Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (18/11300) in der durch den Verkehrsausschuss geänderten Fassung (18/11776) zu. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke lehnten die Vorlage ab. Ein Änderungsantrag der Linksfraktion (18/11786) fand keine Mehrheit.

Der Gesetzentwurf stellt klar, dass der Betrieb von Kraftfahrzeugen mittels hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion "im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung" zulässig ist. Wenn etwa die automatisierte Fahrfunktion nur für den Einsatz auf Autobahnen konstruiert ist, dürfe das Auto nicht zum Verkehr auf anderen Straßen eingesetzt werden, heißt es in der Vorlage.

Fahrer muss wahrnehmungsbereit sein
Es gehe der Bundesregierung nicht um eine moderne Verkehrspolitik, sondern um neue Geschäftsfelder für die Automobilindustrie in Deutschland, befand hingegen Herbert Behrens (Die Linke). Obwohl eigentlich die Frage der Verkehrssicherheit ganz oben stehen müsste, werde dazu im Gesetz nichts gesagt, kritisierte er. „Ich habe den Eindruck, die Autofahrer werden zu Versuchskaninchen gemacht“, sagte der Linke-Abgeordnete. Sie müssten selber herausbekommen, wann das Auto übernommen werden muss und wann sich die Technik ausschaltet. „Das ist keine vorrausschauende Politik“, urteilte er

Kritik übte Behrens auch am Umgang mit dem Datenschutz. Der Fahrzeughalter müsse entscheiden können, „was gespeichert wird und was nicht“. Das habe auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in der Expertenanhörung gefordert. Behrens Fazit lautete daher: „Das Gesetz ist nicht zukunftstauglich.“

SPD: Technik fährt sicherer und sauberer als der Mensch
Es gehe nicht um das autonome Fahren, erinnerte Kirsten Lühmann (SPD). Vielmehr würden nun für das Fahren mit hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion gesetzliche Regelungen verabschiedet. Diese Systeme würden die Verkehrssicherheit maßgeblich erhöhen, sagte sie. „Mit hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen können viele Unfälle mit Todesopfern und Schwerverletzten vermieden werden“, betonte Lühmann. Zugleich erhöhe sich der Fahrkomfort, und es würden Kohlendioxidemissionen eingespart.

„Auch wenn viele Kollegen es nicht wahrhaben wollen: Die Technik fährt sicherer und sauberer als der Mensch“, sagte sie. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen habe der Entwurf zudem viele Verbesserungen erfahren – auch beim Datenschutz. So sei klargestellt, dass nur gespeichert werde, wer gefahren ist. „Wir gehen nicht darüber hinaus, und das ist gut und richtig“, sagte sie.

Grüne: Gesetz hätte mehr Sorgfalt verdient
Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, ein Gesetz mit einer solchen Tragweite hätte aus seiner Sicht mehr Sorgfalt verdient. Trotz der Nachbesserungen blieben viele Fragen offen und seien Kernprobleme weiterhin nicht gelöst. „Die Verbraucher werden Sie mit diesem Gesetz nicht vom hoch- und vollautomatisierten Fahren überzeugen“, sagte Kühn.

Kein Verständnis habe er auch dafür, dass Minister Dobrindt zwar eine Ethikkommission in Sachen automatisiertes Fahren eingerichtet habe, deren Ergebnisse aber nicht abgewartet worden seien. Einziger Lichtblick, so Kühn sei, dass für 2019 eine Evaluation vorgesehen ist. „Somit besteht die Chance, die handwerklichen Fehler bei diesem Gesetz in der nächsten Legislaturperiode zu beseitigen.“

CDU/CSU: Aufzeichnungen zwingend erforderlich
Steffen Bilger (CDU/CSU) betonte, zur Klärung von Haftungsansprüchen sei es zwingend erforderlich, dass aufgezeichnet werde, „ob bei Unfall oder anderen Schäden der Computer oder der Mensch die Fahraufgabe innehatte“.

Klar sei aber auch, dass mit den angefallenen Daten sehr sensibel umgegangen werden müsse. Daher würden die Daten auch im Datenspeicher des Autos verbleiben. Eine Verwendung sei nur zulässig, wenn sie für die Aufklärung eines Unfalls oder Schadens benötigt würden.

Änderungsantrag der Linken abgelehnt
In ihrem Änderungsantrag hatte Die Linke dafür plädiert, die von der Datenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff vorgebrachten datenschutzrechtlichen Unzulänglichkeiten aufzugreifen und deren Vorschlag für eine Neufassung des Paragrafen 63a des Straßenverkehrsgesetzes zu übernehmen.

Die Linke verwies auch auf die Kritik des Bundesrates an den datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Gesetzentwurfs. (Quelle: Bundestag)

Bitkom: Neben dem Rechtsrahmen ist Aufbau einer Netzinfrastruktur an der Straße von entscheidender Bedeutung
Auch der Digitalverband Bitkom begrüßt die vom Bundestag verabschiedete Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, da damit erstmals Regeln für das automatisierte Fahren auf deutschen Straßen geschaffen werden. „Der Bundestag hat den Weg frei gemacht, damit sich die Automobilnation Deutschland auch beim autonomen Fahren weltweit an die Spitze setzen kann“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Die Bundesregierung hat im parlamentarischen Verfahren Anregungen von Experten aufgegriffen und nun zum Beispiel konkretisiert, welche Tätigkeiten der Fahrer ausüben darf, während der Autopilot das Steuer übernimmt, und in welchem Zeitraum er wieder das Lenkrad übernehmen muss, sobald ihn der Computer dazu auffordert. Rohleder: „Die neuen Regelungen schaffen vor allem Rechtssicherheit für die Fahrer von Fahrzeugen mit Autopilot.“ Der Fahrer muss demnach nicht wie ursprünglich vorgesehen ständig das Verkehrsgeschehen überwachen, sondern er muss nur bereit sein, einen Warnhinweis wahrzunehmen und dann wieder das Steuer zu übernehmen. Dies entspricht auch den Wünschen der Bundesbürgern, von denen nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bitkom 34 Prozent während der Fahrt in einem autonomen Fahrzeug gerne lesen würden, 24 Prozent wollen Filme schauen und 15 Prozent arbeiten.

Der verabschiedete Gesetzentwurf sieht zudem klarere und transparentere Regeln vor, welche Daten durch das Fahrzeug gespeichert werden, um im Falle eines Unfalls die Ursache aufzuklären. So soll künftig gespeichert werden, wann der Autopilot und wann der menschliche Fahrer die Kontrolle hatte, ob technische Störungen vorlagen sowie an welcher Position das Fahrzeug sich wann befand. Gleichzeitig sollen die Daten nach sechs Monaten gelöscht werden, wenn das Fahrzeug nicht in einen Unfall verwickelt ist. „Beim automatisierten Fahren sehen wir noch keinen Massenmarkt, es geht aber darum, diese Zukunftstechnologie in Deutschland rasch auf die Straße zu bringen. Dies wird durch das Gesetz möglich. Über strittige Fragen wie Haftungsregeln oder die Datennutzung wird sicherlich weiter diskutiert werden und das ist auch nötig“, so Rohleder. „Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, erst in einer jahrelangen Debatte alles bis zu Ende regeln zu wollen. Dann werden andere Länder Fakten schaffen und wir nur noch die Möglichkeit haben, diese Technologie zu nutzen.“ Auch eine große Mehrheit der Bundesbürger wünscht sich eine serienmäßige Datenspeicherung, um im Falle eines Unfalls die Schuldfrage zu klären. Drei Viertel der Bundesbürger (75 Prozent) wünschen sich eine solche Black Box, wie sie in Flugzeugen üblich ist, in allen Autos, die mit einem Autopiloten ausgerüstet sind.

Nach der gesetzlichen Weichenstellung sollte nun der Ausbau einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur an und in den Straßen vorangebracht werden. „Für das autonome Fahren brauchen wir einen Rechtsrahmen, die nötige Technologie im Fahrzeug aber vor allem auch Daten“, so Rohleder. So benötigt der Autopilot regelmäßig aktuelle Informationen über die Verkehrssituation und den Zustand der Strecke, um rechtzeitig auf Gefahrensituationen reagieren zu können. Rohleder: „Wir haben die Chance, dass Deutschland bei der Mobilität der Zukunft eine Vorreiterrolle einnimmt.“

Weitere Informationen rund um die Einstellung der Bundesbürger zu autonomen Autos und vernetzter Mobilität gibt es hier >>>

Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine repräsentative Befragung, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.006 Personen ab 18 Jahren in Deutschland befragt, darunter 779 Autofahrer. Die Fragestellungen lauteten: und „Wie würden Sie die Zeit nutzen, die Sie hätten, wenn das Auto selbst fährt?“ und „Sollte in selbstfahrenden Autos serienmäßig eine Black Box eingebaut werden?“ (Quelle: Bitkom)