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Prof. Dr. Constantin Goschler (li.) und Prof. Dr. Michael Wala
Bild: © BfV

Berlin, 01.10.2013

Verfassungsschutz mit Geburtsfehlern?

Eine effiziente Arbeit behindernde Strukturen der deutschen Verfassungsschutzbehörden gehen nach Auffassung von Prof. Dr. Constantin Goschler bis auf deren Gründungsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Im Bestreben, nur ja keine Behörde à la Gestapo zu schaffen, habe man sich "neue Defizite eingehandelt", so der Historiker von der Ruhr-Universität Bochum.

Bereits in den 50er Jahren sei wie heute wieder über die notwendige Zusammenarbeit mit den Landesämtern diskutiert worden, so auch sein Kollege Prof. Dr. Michael Wala. Beide stellten in Berlin eine Zwischenbilanz des Forschungsprojektes „Organisationsgeschichte des BfV 1950-1975 unter besonderer Berücksichtigung der NS-Bezüge früherer Mitarbeiter in der Gründungsphase“ vor.

Die historische Erforschung der Frühgeschichte wurde durch den damaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, angestoßen. Das Projekt startete am 1. November 2011 und wird Ende 2014 abgeschlossen sein. Gerade das Bundesamt habe "weit eher rot-weiß-blaue Wurzeln als braune", resümiert Professor Wala mit Blick auf die Nationalflaggen der Westalliierten. Bis 1956 war jede einzelne Personaleinstellung von ihnen kontrolliert worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten ehemalige Angehörige von Gestapo, SS oder Reichssicherheitshauptamt längst andernorts Unterschlupf gefunden. Infolgedessen sind die Forscher etwa im Vergleich zum BKA oder der Organisation Gehlen als Vorläufer des BND auf relativ wenige belastete Personen gestoßen. Überdies hätten sich Mitarbeiter mit starkem NS-Bezug vorwiegend über Seilschaften in der Spionageabwehr gesammelt - als einem politisch eher neutralen Bereich.Goschler und Wala sind auch auf niemanden mit einer falschen Identität gestoßen.

Die Alliierten hätten nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Koreakrieges intensiv darüber diskutiert, wo der Geheimdienst im Regierungsapparat angesiedelt werden solle, sagte Professor Wala im Gespräch mit Public Security. Im deutschen Raum habe es schlicht keine Vorgängerorganisation gegeben, an die man sich hätte anlehnen können. Strukturell habe es kaum französischen Einfluss gegeben, Vorbild sei eher der britische Inlandsgeheimdienst MI 5 gewesen. Dieser habe die deutschen Mitarbeiter auch ausgiebig geschult. Ausbildung habe es ferner seitens der amerikanischen CIA und des Counter Intelligence Corps (CIC) gegeben, so Wala. Zu Einzelheiten sagt er: "Wir warten noch auf Unterlagen aus den USA." Hinsichtlich aktueller Abhörskandale verweist Constantin Goschler auf einen Unterschied zu ähnlichen Fällen in den 60er Jahren. Einen Grund, "warum das jetzt nicht so breite Wellen schlägt", sieht er darin: "Das waren auch noch Nazis." (kö)

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