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bfv-Dienstgebäude in Köln (Foto: bfv)

Berlin, 25.03.2015

Reform des Verfassungsschutzes

Die Bundesregierung will beim Verfassungsschutz die Zusammenarbeit von Bund und Ländern verbessern. So sollen Bundes- und Landesbehörden zukünftig Informationen leichter austauschen können. Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf schafft außerdem Klarheit für den Einsatz von V-Leuten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird sowohl bei eigenen Aufklärungsaufgaben wie auch bei der Koordinierung und Unterstützung der Landesbehörden eine stärkere Funktion als zentrale Stelle wahrnehmen.

„Dieses Gesetz ist ein essentieller Baustein bei der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und ein weiterer konsequenter Schritt nach dem eingeleiteten Re-formprozess des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Neuausrichtung des Verfas-sungsschutzes durch die Innenministerkonferenz. Das Gesetz stärkt die Zentralstellenfunk-tion des Bundesamtes für Verfassungsschutz und intensiviert den Informationsfluss zwischen den Verfassungsschutzbehörden. Auch der für unsere Sicherheit unverzichtbare Einsatz von V-Leuten wird klar geregelt. Wir geben diesem Instrument jetzt einen klarem Rahmen und setzen zugleich eindeutigen Grenzen“, so Bundesinnenminister Dr. de Maizière.

Die zentralen Ziele des Gesetzentwurfs sind:

Stärkung der Zentralstelle
Für eine bessere Zusammenarbeit innerhalb des Verfassungsschutzverbundes wird das Bundesamt für Verfassungs-schutz in seiner Zentralstellenfunktion gestärkt. Das Bundesamt unter-stützt die Landesämter, koordiniert die Zusammenarbeit und tritt in be-stimmten Fällen nötigenfalls auch selbst in die Beobachtung ein.

Ausbau der Analysefähigkeit
Mit der Zusammenführung der relevanten Informationen im NA-DIS werden länderübergreifende Beziehungen und Strukturen besser erkennbar, dem Entstehen von Informationsinseln wird vorgebeugt. Abfrage- und Zugriffsregelungen berücksichtigen Daten-schutzbelange, und die Vollprotokollierung gewährleistet die volle Daten-schutzkontrolle.

Verbesserung des Informationsflusses
So sollen Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern in Zukunft besser kooperieren. Auch der Informationsfluss zwischen den einzelnen Behörden wird wesentlich verbessert. Um alle relevanten Informationen auszutauschen, ist das gemeinsame Verbundsystem NA-DIS, das "Nachrichtendienstliche Informationssystem", zu nutzen.

Einsatz von V-Leuten
Das Gesetz schafft außerdem Klarheit für den Einsatz von V-Leuten. So wird geregelt, wann ein Einsatz zulässig ist. Für die Auswahl von V-Leuten werden Ausschlusskriterien vorgegeben, ebenso werden die Kriterien für zulässiges "szenetypisches Verhalten" geregelt.
V-Leute sind für den Nachrichtendienst ein unersetzbares Mittel zur Informationsgewinnung. Ihre Auswahl und Führung erhält durch den Gesetzentwurf einen klaren Rahmen. So wird festgelegt, wer überhaupt angeworben werden darf (z.B. keine Minderjährigen). Auch die Kriterien für zulässiges „szenetypisches Verhalten“ (z.B. Missachtung des versammlungsrechtlichen Vermummungsverbots) werden geregelt: Eingriffe in Individualrechte (z.B. Sachbeschädigungen) durch V-Leute sind dabei nicht zulässig, das Verhalten muss zur Akzeptanz in der Szene unerlässlich und darf nicht unverhältnismäßig sein. V-Leute dürfen keine strafbaren Vereinigungen gründen oder steuern, sie dürfen dort jedoch Mitglied sein oder werden, um sie von innen aufzuklären. Der Einsatz von V-Leuten wird auf den gewaltorientierten Bereich priorisiert, es muss sich generell um Bestrebungen von erheblicher Bedeutung handeln.

Die Bundesregierung kämpft weiter gegen Rechtsextremismus. So wurde beispielsweise ein gemeinsames Abwehrzentrum Rechts eingerichtet, das inzwischen zum gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum erweitert wurde. Unter seinem Dach wird die Kooperation zwischen Polizei und Verfassungsschutz sowie Bund und Ländern gebündelt, um insbesondere Rechtsextremismus und -terrorismus effizient bekämpfen zu können.

Der Bundestag hat ferner einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses für den Bereich Justiz verabschiedet.

Der Dazu die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff:


Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ist der Beauftragte des Bundes sowohl für den Datenschutz, als auch (seit Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes zum 1. Januar 2006) für die Informationsfreiheit. (Foto: BfDI)
Dieser Gesetzesentwurf ändert die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bekommt neue, zentralisierte Auswertungs- und Analysebefugnisse. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder sollen alles an das Bundesamt für Verfassungsschutz übermitteln, was für die zentrale Auswertung und Analyse relevant ist. Welche Relevanzkriterien gelten, bleibt offen. Dazu soll das Bundesamt für Verfassungsschutz weitreichende Datenbestände anlegen, die es umfassend auswerten darf. Bisherige Schranken für die Datenverarbeitung in zentralen Dateien fallen zu großen Teilen weg.
Nachrichtendienste greifen mit ihren Maßnahmen tief in Grundrechte ein. Denn diese Maßnahmen sind nach der bestehenden Gesetzeslage weit im Vorfeld einer Gefahr angesiedelt, ohne dass die Betroffenen gegen Gesetze verstoßen haben müssen. Das derzeitige Recht regelt
unzureichend, über welchen Personenkreis die Nachrichtendienste überhaupt Daten erheben und speichern dürfen. Es differenziert auch nicht hinlänglich, wann die Dienste gegen wen welche Mittel einsetzen dürfen.
Sicherheitspolitik darf sich deshalb nicht darauf beschränken, den Nachrichtendiensten mehr Personal, mehr Sachmittel und mehr Befugnisse zu geben. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – zuletzt zur Antiterrordatei - sollten vielmehr Anlass für eine grundlegende Reform des Rechts der Nachrichtendienste sein.