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Berlin, 02.05.2018

Studie "Digitale Transformation 2018 – Hemmnisse, Fortschritte, Perspektiven" – Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung und den realen Herausforderungen

Fast jedes zweite Großunternehmen in Deutschland sieht sich heute als „sehr gut" oder „gut" auf die digitale Transformation vorbereitet. Während die Hälfte der Unternehmen einen starken digitalen Wandel in ihrer Branche prognostiziert, sieht nur jedes fünfte einen ebenso starken Veränderungsdruck beim eigenen Geschäftsmodell. Insgesamt wiegen sich deutsche Großunternehmen bei der digitalen Transformation in Sicherheit – Google und Amazon werden nicht als Wettbewerber erkannt. Das sind einige Ergebnisse der aktuellen Etventure-Studie „Digitale Transformation 2018 – Hemmnisse, Fortschritte, Perspektiven“, die in Zusammenarbeit mit GfK durchgeführt wurde.

Die digitale Transformation zählt aktuell in fast zwei Drittel (62 %) der deutschen Unternehmen ab 250 Mio. € Jahresumsatz zu den drei wichtigsten Firmenzielen. Im Vorjahr waren es erst 50 %, 2016 41 %. Zugleich verbessert sich die Selbsteinschätzung: Sahen sich im Vorjahr erst ein Drittel der Unternehmen „sehr gut" oder „gut" bei der Digitalisierung aufgestellt, sind es jetzt 42 %. Die Resultate der zum dritten Mal mit der GfK durchgeführten repräsentativen Studie geben dennoch Anlass zur Sorge: „Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung der deutschen Unternehmen und den realen Herausforderungen durch die Digitalisierung“, resümiert Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer von Digitalberatung und Company Builder Etventure.

Dies spiegelt sich auch in den weiteren Ergebnissen der repräsentativen Studie von Etventure und GfK wider: So versteht die Mehrheit der befragten Entscheider in deutschen Großunternehmen unter digitaler Transformation primär nur die „Digitalisierung des bestehenden Geschäftsmodells beziehungsweise bestehender analoger Prozesse“ (55 %). Nur halb so viele (28 %) nennen dagegen den „Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle".

Gleichzeitig sieht annährend jedes zweite Unternehmen (49 %) die eigene Branche einem „starken“ oder sogar „sehr starken“ Wandel ausgesetzt. Doch gerade einmal jedes fünfte Unternehmen (21 %) sieht einen ebenso starken Wandel auch beim eigenen Geschäftsmodell voraus.

Philipp Depiereux: „Diese Ergebnisse zeigen, dass zwar viele Unternehmen erste Digitalinitiativen gestartet haben, aber nicht über den inkrementellen Bereich hinauskommen. Wer nur den Fokus auf das bestehende Geschäft legt oder gar nur die IT optimiert, gefährdet die eigene wirtschaftliche Zukunft und Arbeitsplätze. Es geht darum, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, die dem technologischen Wandel ebenso wie den sich verändernden Kundenbedürfnissen gerecht werden. Unternehmen müssen ihr eigenes Geschäftsmodell kritisch hinterfragen und mitunter selbst disruptiv angreifen. An dieser Stelle besteht in Deutschland noch enormer Nachholbedarf.“

Amazon, Google & Co. unterschätzt

Zudem denken laut der Studie sechs von zehn Unternehmen (59 %), dass sie in den kommenden drei Jahren auch ohne jegliche Maßnahmen zur digitalen Transformation keine Umsatzeinbußen befürchten müssen. Außerdem richtet sich der Blick der Unternehmen noch immer vorwiegend auf die Konkurrenz aus der eigenen Branche: Lediglich 22 % sehen in Tech-Konzernen, wie Google oder Amazon, die größte Wettbewerbsbedrohung der Zukunft und lediglich 7 % nehmen Start-ups als ernsthafte Konkurrenz wahr. Und generell werden die Auswirkungen der digitalen Transformation nach Auffassung der Hälfte der befragten Unternehmen (51 %) frühestens in drei Jahren sichtbar.

„Die Tech-Unternehmen und Start-ups sind heute die gefährlichsten Angreifer. Beispiele, wie Netflix, Uber oder AirBnB, zeigen, wie digitale Quereinsteiger mit neuen Geschäftsmodellen die Kundenschnittstelle besetzen und innerhalb kürzester Zeit ganze Industrien ins Wanken bringen können”, sagt P. Depiereux. „Was bislang vor allem die B2C-Branche erfahren musste, droht auch anderen, klassischen Industrien. Die Traditionsunternehmen aus dem B2B-Bereich müssen sich die Erfolgsrezepte der digitalen Player – Schnelligkeit, Daten-Kompetenz und kundenzentrierte Methodik – zu eigen machen, wenn sie nicht Stück für Stück vom Markt verdrängt werden und die Schnittstelle zum Kunden verlieren wollen.“

Haupt-Hindernis ist die Verteidigung bestehender Strukturen
Die Studie zeigt auch, warum es einigen Großunternehmen in Deutschland die Umsetzung der digitalen Transformation noch immer schwerfällt. Als größte Hürde wird „die Verteidigung bestehender Strukturen" durch die Mitarbeiter im Unternehmen genannt (58 %), gefolgt von „mangelnder Erfahrung bei nutzerzentriertem Vorgehen“. Ein von Jahr zu Jahr wachsendes Hemmnis stellen zudem blockierende Sicherheitsanforderungen dar: Nannten 2016 erst etwa ein Drittel der Unternehmen dieses Argument und waren es 44 % in 2017, klagt jetzt schon fast jede zweite Firma (48 %) darüber. Hinzu kommen Zeitmangel, fehlende Flexibilität und Geschwindigkeit sowie zu viele Entscheidungsebenen, die einer schnellen Digitalisierung im Wege stehen.

Somit kämpfen die deutschen Großunternehmen weiterhin mit den gleichen internen Hemmnissen, obwohl das Thema Digitalisierung mittlerweile im Großteil der Unternehmen (68 %) von der Chefetage gesteuert wird – direkt durch den Geschäftsführer oder CEO, zumindest aber aus einem Geschäftsführungs- oder Vorstandsbereich heraus. Erst jede siebte Firma hat hingegen einen Chief Digital Officer (CDO) ernannt, der die digitale Transformation hauptverantwortlich im Unternehmen steuert.

Unternehmen mit externen Digitaleinheiten sind die Ausnahme
Für die Umsetzung der digitalen Transformation setzen die befragten Unternehmen zunehmend auf die Einrichtung eines firmeneigenen Digital-Labors: Fast jedes zweite befragte Unternehmen (44 %) verfügt heute schon über eine eigene interne Digitaleinheit. Im Vorjahr waren es erst 33 % und 2016 erst 30 %. „Dieses Ergebnis, einhergehend mit den genannten Hemmnissen, bestätigt unsere jahrelange Erfahrung, dass Innovationen im Sinne neuer digitaler Geschäftsmodelle niemals innerhalb eines Unternehmens erfolgreich entwickelt werden können“, erläutert P. Depiereux. „Um die Bewahrungskräfte im Unternehmen zu umgehen, empfehlen wir die Gründung einer Digitaleinheit außerhalb der Kernorganisation. Dort können Innovations- und Digitalprojekte unabhängig von der Unternehmensbürokratie, von Compliance-Bedenken, juristischen Fragen und ähnlichen Hindernissen entwickelt werden. In diesem ,geschützten Raum' kann dann auch eine neue Herangehensweise – weg von einer ingenieursgetriebenen Entwicklung, hin zu einem schnellen und radikal nutzerzentrierten Vorgehen – konsequent verfolgt werden.“ Den Schritt, die Digitaleinheit aus dem Unternehmen auszugliedern und damit fernab der Kernorganisation als externes Tochterunternehmen aufzubauen, wählen tatsächlich nur 8 % der Unternehmen.

Digitaler Wirtshaftsstandort Deutschland erhält Note 3,3
Für die Etventure-Studie sollten die deutschen Großunternehmen nicht nur ihre eigene Digitalisierung und die ihrer Branche einschätzen, sondern auch den digitalen Fortschritt in Deutschland insgesamt bewerten. Deren Urteil fällt kritisch aus: So vergeben die befragten Entscheider für die Digitalisierung in Deutschland im Durchschnitt nur eine Zeugnisnote von 3,3. Lediglich jedes fünfte Unternehmen sieht den Wirtschaftsstandort Deutschland „sehr gut“ oder „gut“ aufgestellt. Dagegen bewerten 25 % die Digitalisierung hierzulande als „ausreichend“, 13 % gar als „mangelhaft“. Großen Nachholbedarf sehen die befragten Unternehmen vor allem bei den politischen Themen Breitbandausbau, digitale Bildung im Rahmen der Schulausbildung, bei der Digitalisierung der Verwaltung sowie bei der Förderung und Entwicklung digitaler Schlüsseltechnologien. (Quelle: etventure)

>>> zur Studie

www.etventure.com