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Von der Wehrtechnik zur zivilen Nutzung

Gesellschaft der sicherheitstechnischen Wirtschaft
in Nordrhein-Westfalen e. V. (GSW NRW e.V.) – ein Verein im Umbruch. Interview von Public Security mit dem Vorsitzenden der GSW NRW e.V., Hans Herbert Schulz, und dem Geschäftsführer der GSW NRW e.V., Hanswilm Rodewald.

Düsseldorf, 15.12.2014 | Sinkende Verteidigungsetats, nicht nur in Europa, und weltweit rapide wachsende Märkte für Innere Sicherheit geben für Unternehmen aber auch Verbände und Vereine aus der wehrtechnischen Branche Anlass zum Umdenken. Da sich die Bedrohungslage in den letzten 20 Jahren entscheidend geändert hat, verschieben sich die Investitionen für die “Secure Societies“ in Europa mehr und mehr von der „reinen Hardware“ wie Panzer & Co., die in Europa ein Auslaufmodell zu sein scheinen, hin zu „Dual Use“ Produkten und Cyber-Waffen. Die Gesellschaft der sicherheitstechnischen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen e. V. wurde im April 2005 als Interessenvertretung für Unternehmen der sicherheits- und wehrtechnischen Branche mit Sitz in Nordrhein-Westfalen gegründet. Der sich wandelnde Sicherheitsmarkt und die sich damit wandelnden Anforderungen haben die GSW NRW e. V. im letzten Jahr zu einer Neuausrichtung konsequent auf das veränderte sicherheitspolitische Umfeld reagieren lassen. Im Gespräch mit Public Security mit dem Vorsitzenden der GSW NRW e.V., Hans Herbert Schulz, und dem Geschäftsführer der GSW NRW e.V., Hanswilm Rodewald, fragen wir nach, wie sich dies auf den Verein auswirkt.

PubSec: Mit Vehemenz haben Sie beide die Neuausrichtung des erst 2005 gegründeten Vereins „Gesellschaft der sicherheits- und wehrtechnischen Wirtschaft in NRW e.V.“ betrieben. Im Jahr 2013 wurden sogar die Weichen für eine Namensänderung in „Gesellschaft der sicherheitstechnischen Wirtschaft in NRW e.V.“ gestellt. Diese Namensänderung ist nun vollzogen. Auf der letzten Mitgliederversammlung (Herbst 2014, Anm. der Red.) haben Sie über den aktuellen Stand der begonnenen Neuausrichtung berichtet. Was führte denn zu dieser Kraftanstrengung?

Schulz: Die GSW NRW e.V. hat sich in den Jahren seit ihrer Gründung nahezu automatisch – beeinflusst durch verschiedene Faktoren, wie z.B. die Gründung des großen BDSV – zu einem Netzwerk vorrangig mittelständischer Mitglieder entwickelt. Mittelständische Unternehmen oder vergleichbare Abteilungen größerer Unternehmen haben eigene Rahmenbedingungen, Kulturen und vor allem Fähigkeiten. Hierzu zählen sehr starke Qualitäten wie hohe Flexibilität und innovative Produkte aber in der Regel auch eine begrenzte finanzielle Reichweite. KMU sind in der Regel Zulieferer oder haben ihre Produktpallette in hochtechnischen Nischen. Dies alles galt es in Relation zu den sich stark verändernden äusseren Bedingungen im wehrtechnischen Markt zu sehen. Dort schwinden mit wenigen Ausnahmen die Rüstungsbudgets und die sogenannten Global Player beginnen in zunehmendem Maße ihre eigenen Kapazitäten mit bislang von außen eingekauften Produkten und Leistungen auszulasten und damit zu erhalten.
Als verantwortungsvolle Berater für unsere Mitglieder müssen der Vorstand und die Geschäftsführung Lösungen nicht nur für die Mitglieder, sondern auch für eine Strategie des Vereinsnetzwerks finden.

PubSec: Welche Lösungen haben Sie gefunden?

Schulz: Nun, wir haben zunächst unsere Mitglieder befragt und haben die Ergebnisse ausgewertet. Hier kamen eine Menge wertvoller Beobachtungen und Erfahrungen zusammen. Man musste bei der Auswertung kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass es galt, die Fähigkeiten unserer KMU in Richtung der für sie neuen Märkte zu lenken. Hier rückten bei der Suche zunächst die Bedürfnisse der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie die Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW in den Fokus. Die Erwartung war anfangs, dass eine Vielzahl von Produkten aus dem militärischen Bereich – auch angesichts der sich immer deutlicher verwischenden Grenze zwischen ziviler und militärischer Sicherheit – in diesen Organisationen ebenfalls benötigt würden. Solche Produkte haben Bedeutung in mehreren Märkten und werden daher auch „Dual Use“ - Produkte genannt.
Wenn sich also im Bereich unserer Mitgliedschaft die Bedeutung der „Wehrtechnik“ deutlich verringert, so ist es logisch und dient der Transparenz, den Namen des Vereins der Realität anzupassen. Das haben wir getan. Für uns sind „Äußere“ und „Innere“ Sicherheit beides Untermengen des Oberbegriffs Sicherheit.

PubSec: Wendet sich die GSW NRW e.V. denn nun durch die Neuausrichtung vom Defense Sektor ab?

Rodewald: Nein, auf keinen Fall! Das würde ja das Gegenteil unserer Absicht bewirken. Beginnend mit der Namensänderung wollen wir doch deutlich machen, dass wir einen umfassenden und ganzheitlichen Markt „Sicherheitstechnologie“ sehen und mit den Fähigkeiten unserer Mitglieder in Forschung, Produktion und Dienstleistung bedienen wollen. Manche Mitglieder müssen sich aber auch dem Thema „Dual Use“ öffnen. Manche haben sogar zusätzlich im „Trible Use“ eine Chance, wenn man den Freizeit oder „Adventure“- Bedarf betrachtet.
Allerdings muss man den unterschiedlichen Beschaffungsorganisationen und Verfahren in den Behörden Rechnung tragen. Und das ist nicht ganz einfach. So findet die Beschaffung der NATO/der Bundeswehr im Wesentlichen zentral durch wenige Ämter statt. Anders ist es bei der Beschaffung der Polizei der Länder und der Feuerwehren der Kommunalen-Ebene. Hier gelten andere Verfahren, andere Standards und es sind von unseren Mitgliedern andere Marketingstrategien anzuwenden.

PubSec: Thema Dual-Use. Öffnet das Thema Dual-Use nicht neue Märkte auch für die Industrie und die Mitglieder der GSW?

Rodewald: Es ist genau unsere Absicht, die sich hier bietenden Chancen zu nutzen. Allerdings muss auch noch der Begriff „Dual Use“ einmal etwas beleuchtet werden. Für uns hat bislang „Dual Use“ die Verwendung militärischer Technologien in anderen Bereichen bedeutet.
Im Bereich Export wird genau umgekehrt definiert. Hier bezeichnet man solche Güter als „Dual Use Güter“ mit doppeltem Verwendungszweck. Das heißt Güter, einschließlich Datenverarbeitungsprogramme und Technologie, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können (eigentlich ist das nicht ganz logisch, da in beiden Fällen von zivilen und militärischen Anwendungsmöglichkeiten ausgegangen wird. Der Unterschied besteht doch nur in der Erstverwendung).
GSW NRW e.V. Mitglieder hörten hierzu am 05.12.2014 einen sehr informativen Vortrag. Weitere Folgeveranstaltungen werden auch für unsere Freunde sehr interessant.

PubSec: Stehen Sie damit auch in Konkurrenz zu anderen „Lobbyisten-Verbänden“ wie BDSV, Förderkreis Deutsches Heer etc.?

Schulz: Wir sehen GSW NRW e.V. nicht als Lobbyisten. Unser erstes Ziel ist es, die Mitglieder mit Informationen, Projektanregungen (Forschung wie auch Business) und Marketingunterstützung zu befähigen, gemeinsam Kunden zu bedienen, denen sie allein nicht genügen können.
Manche sagen, wir seien ein „Eheanbahnungsinstitut für KMU“. Da ist etwas dran. Ein „individuelles Matchmaking“ ist sicherlich eines unsere Alleinstellungsmerkmale.
Gleichwohl vertreten wir aber auch gemäß unserer Satzung die Interessen unserer Mitglieder gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit. In das übliche Bild der Lobbyisten passen wir auf keinen Fall. Dazu sind wir auch zu klein. Aber der intensive Austausch und das Vertrauen zwischen unseren Mitgliedern ergebenganz andere Marktpotentiale in unserer Reichweite.

PubSec: Wie kommen Sie darauf, den Begriff „Secure Societies“ zum Vereinsziel zu propagieren?

Schulz: Das 2014 neu aufgelegte EU Forschungsprogramm Horizon 2020 fokussiert die dort bereit gestellten Mittel auf die Themen, die Europa in Zukunft wahrscheinlich bewegen werden. Dort spielt im Kapitel 7 das Thema „Secure Societies“ eine zentrale Rolle. Das spricht uns zunächst direkt an.
In der Fortsetzung der Bemühungen, unseren Mitgliedern als Verein erfolgreichen Strategien und Lösungen zu bieten, haben wir die Frage gestellt: „Was muss man tun, um die Gesellschaften Europas sicherer zu machen oder sicher zu erhalten?“

PubSec: Sie sprachen von den vier Säulen.

Schulz: Genau! Wir haben – mit Blick auf Technologien – versucht, die für uns bedeutsamen Bestimmungsgrößen der „Secure Societies“ zu identifizieren. Dabei entwickelten sich die von uns schon seit einiger Zeit als solche bezeichneten 4 Säulen
• Innere-/Äußere Sicherheit 1
• Katastrophen- / Bevölkerungsschutz2
• IT /Cyber (inklusive der Kommunikationstechnologie)
• Rohstoffe und Energie
Daneben gibt es übergreifende und besonders bedeutsame Themen. Hierzu zählen vorrangig die „Kritischen Infrastrukturen / Sicherheit von Liegenschaften“, „World Wide Logistics“ als moderner Begriff für ein System der „Lagerhaltung und Distribution“ sowie der „Arbeitsschutz“.
Diese „Säulen“ sind natürlich nicht voneinander unabhängig oder gar freistehend. D.h. in der Umsetzung dieser Strategie müssen wir die bereits vorhandenen Fähigkeiten unserer Mitglieder um Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit Expertise aus den Bereichen ergänzen, die wir bislang nicht im Betrachtungsfenster hatten.
Nur so wird es uns gelingen, ein für Kunden attraktives Angebotsdispositiv zu schaffen.

PubSec: Ihr Verein betreibt viele Kooperationen zu anderen Vereinen/Verbänden, wie EDEN (ähnlicher Cluster aus Frankreich), AUSA (3.500 US-Firmen aus dem Heeresbereich), Wirtschaftsförderungszentrum Ruhr (Kreislaufwirtschaft) oder CAR e.V. (Competencecenter Automotive der Region Aachen) oder der AHK DeBeLux und dem IFR in Dortmund etc.

Rodewald: Zum erfolgreichen Marketing bzw. gehören ein hochwertiges und umfassendes Leistungsangebot, aber auch ein dazugehörender hoher Bekanntheitsgrad.
Ich sage dazu gerne: „Können und Kennen“.
GSW NRW e.V. verstärkt daher seine eigenen besonderen Fähigkeiten und unseren Bekanntheitsgrad durch die von Ihnen schon genannten unterschiedlich formale- Kooperationen. Es gibt noch weitere, die man auf unserer Homepage nachlesen kann.
Durch Teilnahme an amtlichen Initiativen wie z.B.
• Ideenwettbewerb NRW International zu Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen im „Weimarer Dreieck“ (Frankreich- Deutschland-Polen),
• den Matchmakingveranstaltungen des NL Generalkonsulats oder
• der EOD3 - Veranstaltung der Bundesanstalt für Immobilien Aufgaben
erhöhen wir unsere Präsenz in der Öffentlichkeit.

PubSec: Welches konkrete Leistungsangebot machen Sie Ihren Mitgliedern?

Rodewald: Lassen Sie mich hierzu einfach mal – auch wenn einiges, was schon gesagt wurde – aufzählen, was wir tun:
• Wir fördern durch gezieltes und individuelles „Matchmaking“ die Bildung auch internationaler Geschäftspartnerschaften, um damit die Fähigkeit der Mitgliedsunternehmen zu verbessern, Märkte in Europa und darüber hinaus zu bedienen.
• Durch Mitgliederwerbung erweitern wir gezielt das Fähigkeitsspektrum des Vereins.
• Es werden mindestens halbjährliche Mitgliedertreffen auch für Gäste und themenrelevante Experten organisiert. Diese Treffenhaben Informations- und Netzwerkcharakter.
• Für bestimmte Interessen-/Themengruppen werden sogenannte „Stammtische (ST)“ - gern auch als „Cluster“ bezeichnet - eingerichtet. Zurzeit bestehende ST sind: „Innovative Materialien“, „Öffentlicher Auftraggeber“, „IT/Cyber“, „Simulation in der Katastrophenhilfe und -vorsorge“ und „Kritische Infrastrukturen / CBRNE“. Hierbei sei gesagt, dass die ST künftig ergänzt oder zusammengelegt werden können.
• Im nächsten Jahr werden wir mit einer neuen Vorgehensweise, einem „BarCamp" versuchen, einen neuen Unternehmenscluster „Sichere Liegenschaften“ einzurichten.
• Es werden regelmäßige – meist monatliche – Infobriefe herausgegeben.
• Einladungen und Newsletter an den Verein werden einmal wöchentlich gebündelt und weitergeleitet.
• Zur Erweiterung des vereinseigenen Leistungsspektrums tragen wir durch Kooperationsvereinbarungen mit anderen Netzwerken in Europa bei.

PubSec: Das ist ja recht beeindruckend! Wie sehen Sie denn Ihre mittel- bis langfristige Zukunft?

Schulz: Unser Ziel ist es, die GSW NRW e.V. als leistungsstarken und innovativen Verein zu etablieren, der für KMU besonders attraktiv ist, weil er ihnen über eine ganzheitliche, zukunftsorientierte Strategie zum Thema „Sicherheit“ neue Märkte erschließt und dabei einen signifikanten Beitrag für die Zukunft von Europas Gesellschaften leistet.

PubSec: Vielen Dank für das ausführliche und informative Gespräch.


Das Interview als PDF:
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Über die GSW NRW e.V.

Die Gesellschaft der sicherheitstechnischen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen e. V. wurde im April 2005 als Interessenvertretung für Unternehmen der sicherheits- und wehrtechnischen Branche mit Sitz in Nordrhein-Westfalen gegründet und ist heute ein Verein von vorrangig mittelständischen Unternehmen.

Kontakt:
GSW NRW e. V.
Gesellschaft der sicherheitstechnischen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen e. V.

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