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Berlin, 23.02.2021

Die Wehrbeauftragte des Bundestages –
62. Jahresbericht zur Lage der Bundeswehr

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Eva Högl, stellt ihren ersten Jahresbericht zur Lage der Bundeswehr vor. Die SPD-Politikerin hat das Amt seit vergangenem Jahr inne. Mit Interesse wurde erwartet, welche Auswirkungen Högl durch die Corona-Pandemie sowie die Debatte um Rechtsextremismus in den Reihen der Streitkräfte sieht. Högl hat den Einsatz der Bundeswehr während der Corona-Pandemie ausdrücklich gelobt. Auch wenn es nicht zu ihrem Kernauftrag gehöre, habe sich im Rahmen der geleisteten Amtshilfe gezeigt, wie wichtig der Beitrag der Bundeswehr in der Pandemie sei, heißt es im Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten, den sie am Dienstag, 23. Februar 2021, an Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble übergab.

Der Bericht umfasst den Zeitraum des vergangenen Jahres.

Im Beisein des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD) und der Obleute der Fraktionen übergab Högl, die seit Mai 2020 im Amt ist, dem Bundestagspräsidenten damit ihren ersten Wehrbericht. „Der Grundbetrieb war enorm beeinträchtigt“, sagt die Wehrbeauftragte im Interview mit dem Parlamentsfernsehen.
Bundeswehr im Einsatz gegen das Virus

Anfang Februar dieses Jahres seien  neben der nahezu vollständigen Einbindung des Sanitätsdienstes rund 11.900 Soldaten „im Einsatz gegen das Virus gebunden“. Insgesamt seien 25.000 Soldaten in Bereitschaft und mehr als 3.400 Amtshilfeersuchen seien erledigt worden. Darüber hinaus hätten sich rund 11.800 Reservisten freiwillig für einen Einsatz im Rahmen der Corona-Hilfe freiwillig gemeldet, rund 1.250 seien zum Dienst gezogen worden. Die Soldaten hätten in Gesundheitsämtern beim Testen und bei der Nachverfolgung von Infektionsketten, bei der Logistik, in der Altenpflege und in Impfzentren geholfen. In ihrem Bericht spricht sich die Wehrbeauftragte dafür aus, die beteiligten aktiven Soldaten und Reservisten über gezahlte Zulagen hinaus mit einer Einsatzmedaille als Symbol der „Wertschätzung und Anerkennung“ auszuzeichnen.

Högl weist darauf hin, dass die Bundeswehr ebenso wie die gesamte Gesellschaft von den Auswirkungen der Pandemie betroffen gewesen sei – etwa durch verkürzte Ausbildung, abgesagte Lehrgänge, oder mehrfache Quarantäne vor und in Auslandseinsätzen.  „Fast 500 Eingaben rund um die Covid-19-Pandemie zeigten, wie hoch die Belastung der Soldatinnen und Soldaten war, wie groß die Sorge um ihre Gesundheit und ihren Dienst und wie wichtig und ernsthaft ihr Anliegen zur Bewältigung dieser Krise waren“, schreibt Högl. Insgesamt seien im Berichtsjahr 2.753 persönliche Eingaben bei der Wehrbeauftragten eingegangen.
Kritik an Verfahren und Strukturen zur Materialbeschaffung

Scharfe Kritik übt Högl an den weiterhin bestehenden Problemen der Bundeswehr bei Material,  Personal und Bürokratie. Es sei „inakzeptabel“, dass den Soldaten in ihrer Ausbildung und in den Einsätzen noch immer in vielen Fällen nicht die „bestmögliche Ausrüstung“ zu Verfügung stehe. „Es ist absolut unverständlich, dass es nicht gelingt, Beschaffungen – selbst von kleinen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Gehörschutz, Helmen oder Rucksäcken – zu beschleunigen. Fehlende oder nicht einsatzfähige Fahrzeuge, Hubschrauber oder Schiffe, fehlendes Werkzeug und  enorme Verzögerungen bei der Instandsetzung seien “leider Alltag in der Truppe und ein häufiger Grund für die berechtigte Unzufriedenheit„ von Soldaten.

Unverständnis zeigt Högl auch über die verschobene Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen. Über diese Frage sei fast zehn Jahre eine “sachgerechte, differenzierte, transparente und ausführliche Debatte„ geführt worden“. So müsse die Bundeswehr weiterhin auf diese „wichtige Fähigkeit verzichten, die vor allem zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten notwendig“ sei, schreibt die Wehrbeauftragte.
Meldungen zu „extremistischen Verdachtsfällen“

Mit Sorge blickt Högl in ihrem Bericht auf die steigende Zahl von Meldungen zu „extremistischen Verdachtsfällen“. Diese seien im Berichtsjahr 2020 mit 229 gegenüber dem Vorjahr (197) noch einmal gestiegen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) habe 2020 im Bereich Rechtsextremismus 477 neue Verdachtsfälle und im Phänomenbereich Reichsbürger/Selbstverwalter 31 und im Bereich Islamismus 48 neue Verdachtsfälle gemeldet. Der MAD erfülle bei der Extremismusabwehr eine wichtige Funktion und sollte personell weiter gestärkt werden, heißt es im Bericht.

Erneut habe das Kommando Spezialkräfte (KSK) im Fokus der Ermittlungen gestanden. Die von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eingesetzte Arbeitsgruppe habe feststellen müssen, dass sich das KSK aus einem „falschen Eliteverständnis einzelner Führungskräfte hinaus in Teilbereichen verselbstständigt. Es hätten sich eine “fehlgeleitete Führungskultur, extremistische Tendenzen und ein nachlässiger Umgang mit Material und Munition entwickelt. In der bestehenden Struktur könne der Verband nicht erhalten bleiben. Högl weist aber zugleich darauf hin, dass „die ganz große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten“ die Werte und Prinzipien des Grundgesetzes „vertritt und verteidigt“.

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Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Dr. Eva Högl, geboren am 6. Januar 1969, ist seit 25. Mai 2020 Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Von 2009 bis 2020 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, direkt gewählt im Wahlkreis Berlin-Mitte. Von 2013 bis 2020 war sie stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für die Bereiche Inneres und Recht. Die gebürtige Niedersächsin hat Rechtswissenschaften an den Universitäten in Osnabrück und Leiden (NL) studiert, 1997 zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht promoviert und 1999 das Zweite juristisches Staatsexamen abgelegt. Von 1999 bis 2009 war sie im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig, zuletzt als Leiterin des Referats „Europäische Beschäftigungs- und Sozialpolitik; Europabeauftragte“.

Im Grundgesetz verankert

Die Wehrbeauftragte oder der Wehrbeauftragte wird nach Artikel 45b des Grundgesetzes als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte berufen. Zu ihren Kernaufgaben gehört ferner, über die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten sowie über die Einhaltung der Grundsätze der Inneren Führung zu wachen. Die gewonnenen Erkenntnisse über den inneren Zustand der Bundeswehr hält die Wehrbeauftragte in einem umfassenden Bericht fest, den sie einmal jährlich dem Deutschen Bundestag vorlegt.

Ombudsinstitution der Streitkräfte

Als „Anwältin der Soldaten“ und zugleich Hilfsorgan des Parlaments bei der Kontrolle der Streitkräfte nimmt die Wehrbeauftragte eine besondere Stellung innerhalb des parlamentarischen Systems ein – dabei ist sie weder Mitglied des Deutschen Bundestages noch Beamtin.

Tätig wird die Wehrbeauftragte aus eigener Initiative oder auf Weisung des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses. Ihre Informationen erhält sie insbesondere durch angemeldete bzw. unangemeldete Truppenbesuche, Gespräche und Eingaben, die sie aus der Bundeswehr erreichen.

Dabei hat jede Soldatin/jeder Soldat die Möglichkeit, sich direkt und ohne Einhaltung des Dienstweges an die Wehrbeauftragte zu wenden:

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages
Dr. Eva Högl
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Germany
Telefon: +49 (0)30 227 38 100
Telefax: +49 (0)30 227 38 283

(Quelle: Deutscher Bundestag / Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages)